Caroline Hartge

LYRIKERIN, ÜBERSETZERIN, HERAUSGEBERIN

CSN&Y: Déjà Vu

(Story)

in:
Kraft, Thomas (Hrsg.)
Rock Stories

Auf dem Cover ein braunverblichenes Foto: eine Handvoll Männer posiert für den Fotografen. Wie richtige Cowboys sehen sie nicht aus, eher wie Bankräuber – abgerissen und verwegen. Schnauzbärtig, dunkelhäutig, langhaarig, vielleicht indianisch der eine. Ihre Kleidung samt einem oder zwei Patronengurten sieht echt aus, ihre Haltung natürlich und allemal verwegener, als man sich die Männer des Wilden Westens vorgestellt hatte. Richtige Desperados scheinen das zu sein, Outlaws. Ein Textblatt liegt der Platte mit dem Klappcover nicht bei, aber ihre Musik ist langsam und melodiös genug. Lauschen und merken: beinahe hätten sie sich das Haar geschnitten, nach Woodstock sind sie gefahren, man soll seine Kinder wohl lehren, denn die Liebe kommt, die Liebe kommt zu uns allen.

Wir tauschen Sprengsel aus, Lieder, Gedichte, Zeilen, bruchstückhafte Chiffren der Welt, in die aufzubrechen wir uns anschicken. Oder vielleicht erwachen wir nur aus dem Traum, der die Kindheit ist, und lassen unsere Blicke über das verwandelte Zimmer gleiten auf der Suche nach einem vertrauten Anblick. Ich war bloß ein Träumer, und du warst nur ein Traum. Es ist einerlei, wer das Stück singt. Noch Jahre später erkennt man es in einer dunstigen, windigen Bar wieder, verwandelt und vielfach elektrifiziert, und immer noch fährt es einem in die Beine und wirbelt einen davon in eine der anderen Dimensionen.

Den Chiffren war die Form egal, die sie annahmen. Sie konnten auch Kino, aus heiterem Himmel. Der den abgerissenen, langhaarigen Vater spielte, war angeblich mal ein Star in einem Motorradfilm gewesen; das war lange her, aber es war wirklich mehr an dem Bild dran, als ins Auge fiel.

Der Film begann und endete mit einem klagend zur Gitarre vorgetragenen Lied („my, my“), das Elvis und Johnny Rotten problemlos in ein und demselben Vers nannte, ein und demselben Atem („hey, hey“). Die gewalttätigen Bilder des Films, etwas, das Linda Manz gegen Ende mit einer Schere ausmachte, wusch die Zeit allmählich wieder aus der zerebralen Reuse heraus, aber das Lied hatte sich unbeirrbar-unentwirrbar in ihren Maschen verfangen: es ist besser auszubrennen als Rost anzusetzen, besser auszubrennen … als zu verbleichen. [...]

Langen Müller Verlag
München, 2009
ISBN 978-3-7844-3195-6

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